»Die Tür wurde geschlossen. Er zog das
Klebeband vom Kopf, sah sich an: die linke Hand voll Blut,
am rechten Fuß die Kette. Er sah sich um: ein weiß
verputzter Raum, etwa drei mal vier Meter, niedrig, knapp
über zwei Meter.«
ISBN 3-930908-29-8
Am 25. März 1996 wurde Jan Philipp
Reemtsma vor der Tür seines Hauses in Hamburg-Blankenese
niedergeschlagen und verschleppt. 33 Tage lang hielten ihn
seine Entführer im Kellerraum eines angemieteten Hauses bei
Bremen gefangen; erst nach Zahlung eines in der Geschichte
der Bundesrepublik einmaligen Lösegeldes von 30 Millionen
Mark kam er frei.
Dies ist Jan Philipp Reemtsmas Bericht
über seine Gefangenschaft »im Keller« — eine Chronologie
der Ereignisse und darüber hinaus die Analyse und
Selbstanalyse eines Intellektuellen, der sich mit ebenjenen
traumatischen Phänomenen wissenschaftlich beschäftigt
hatte, deren Wirkung er jetzt erfahren mußte.
Reemtsma beschreibt die Gefühle, die einen
Zustand der erzwungenen Passivität, des Ausgeliefertseins
an die Willkür von Gangstern begleiten. Er beschreibt den
Verlauf von Tagen, die vor allem aus Todesangst und Warten
bestehen — die Scham, in eine solche Lage geraten zu sein,
den Haß auf die Verbrecher und die Dankbarkeit wider
Willen, wenn sie eine menschliche Regung zeigten.
Dies sind Erfahrungen, die mit normalen
psychischen Regularien nicht bewältigt werden können und
die darum auch nicht folgenlos bleiben.
»Eine Entführung, eine Zeit außerhalb
aller anderen sozialen Kontakte als der antisozialen mit
den Entführern, ist eine Zeit aufgezwungener Intimität. Und
dies innerhalb eines extremen Machtgefälles: absolute Macht
dort, absolute Ohnmacht hier. Das läßt man nicht im Keller
zurück. Denn den Keller läßt man nicht zurück. Der Keller
wird in meinem Leben bleiben, aber so wenig wie möglich von
der mir dort aufgezwungenen Intimität soll in meinem Leben
bleiben. Das einzige Mittel gegen Intimität ist
Veröffentlichung.«
Jan Philipp Reemtsma, Prof. Dr. phil.,
geboren 1952, lebt und arbeitet in Hamburg, Vorstand des
Hamburger Instituts für Sozialforschung und der Arno
Schmidt Stiftung, Mitherausgeber der Bargfelder Ausgabe der
Werke Arno Schmidts, Lehrbeauftragter an der Universität
Hamburg. Veröffentlichungen u.a.:
Folter. Zur Analyse eines
Herrschaftsmittels (1991);
Das Buch vom Ich. Christoph Martin
Wielands »Aristipp und einige seiner Zeitgenossen«
(1993);
Mehr als ein Champion. Über den Stil des
Boxers Muhammad Ali (1995);
Der Vorgang des Ertaubens nach dem
Urknall. Zehn Reden und Aufsätze (1995).